24. Juni 2008

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral (Heinrich Böll)

In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst. Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick. Und da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick.

Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach einer Zigarettenschachtel angelt; aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die eilfertige Höflichkeit ab. Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Tourist - der Landessprache mächtig - durch ein Gespräch zu überbrücken versucht.

"Sie werden heute einen guten Fang machen."
Kopfschütteln des Fischers.
"Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist."
Kopfnicken des Fischers.
"Sie werden also nicht ausfahren?"
Kopfschütteln des Fischers, steigende nervosität des Touristen. Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpasste Gelegenheit.

"Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?"
Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über. "Ich fühle mich großartig", sagt er. "Ich habe mich nie besser gefühlt. "Er steht auf, reckt sich, als wolle er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist. "Ich fühle mich phantastisch."

Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht. "Aber warum fahren Sie dann nicht aus?"
Die Antwort kommt prompt und knapp. "Weil ich heute morgen schon ausgefahren bin."
"War der Fang gut?"
"Er war so gut, dass ich nicht noch einmal auszufahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen..." Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen beruhigend auf die Schultern. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis.
"Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug", sagt er, um des Fremden Seele zu erleichtern. "Rauchen Sie eine von meinen?"
"Ja, danke."

Zigaretten werden in die Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.
"Ich will mich ja nicht in ihre persönlichen Angelegenheiten mischen", sagt er, "aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus, und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen fangen - stellen Sie sich das mal vor."
Der Fischer nickt.
"Sie würden", fährt der Tourist fort, "nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren - wissen Sie, was geschehen würde?"
Der Fischer schüttelt den Kopf.

"Sie würden sich spätestens in einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei booten und dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen - eines Tages würden Sie zwei Kutter haben, Sie würden...", die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, "Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und ihren Kuttern per Funk Anweisungen geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann...", wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache.

Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen. "Und dann", sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.
"Was dann?" fragt er leise.

"Dann", sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, "dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen - und auf das herrliche Meer blicken."
"Aber das tu' ich ja schon jetzt", sagt der fischer, "ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur ihr Klicken hat mich dabei gestört."

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatter er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.

23. Juni 2008

Zeitmanagement

Eines Tages wurde ein alter Professor gebeten für eine Gruppe von 15 Führungskräften grosser internationaler Unternehmen eine Vorlesung über sinnvolle Zeitplanung zu halten. Dieser Kurs war einer von fünf Stationen ihres eintägigen Lehrgangs. Der Professor hatte eine Stunde Zeit sein Wissen zu vermitteln. Zuerst betrachtete der Professor in aller Ruhe einen nach dem anderen dieser Teilnehmer. Sie waren bereit alles, was der Fachmann ihnen beibringen wollte, gewissenhaft zu notieren.

Danach verkündete der Professor: Wir werden ein kleines Experiment durchführen. Er zog einen grossen Glaskrug unter seinem Pult hervor und stellte ihn vorsichtig vor sich hin. Dann holte er etwa ein Dutzend Kieselsteine, etwa so gross wie Tennisbälle, hervor und legte sie sorgfältig einen nach dem anderen in den grossen Krug. Als der Krug bis an den Rand voll war und kein weiterer Kieselstein mehr darin Platz hatte, blickte er langsam auf und fragte seine Schüler: "Ist der Kurg voll?" - und alle antworteten: "JA!"

Er wartete ein paar Sekunden ab und fragte seine Schüler: "Wirklich?" Dann verschwand er erneut unter dem Tisch und holte einen mit Kies gefüllten Becher hervor. Sorgfältig verteilte er den Kies über die grossen Kieselsteine und rührte dann leicht um. Der Kies verteilte sich zwischen den grossen Kieselsteinen bis auf den Boden des Kruges. Der Professor blickte erneut auf und fragte sein Publikum: "Ist dieser Krug voll?"

Dieses Mal begannen seine Schüler seine Darbietung zu verstehen. Einer von ihnnen antwortete: "Wahrscheinlich nicht" "Gut", antwortete der Professor. Er verschwand wieder unter seinem Pult und diesmal holte er einen Eimer Sand hervor. Vorsichtig kippte er den Sand in den Krug. Der Sand füllte die Räume zwischen den grossen Kieselsteinen und dem Kies aus. Wieder fragte er: "Ist das Gefäss jetzt voll?"

Dieses Mal antworteten seine Schüler ohne zu zögern im Chor: "Nein!" Gut, sagte der Professor. Und als hätten seine wunderbaren Schüler nur darauf gewartet, nahm er die Wasserkanne, die unter seinem Pult stand, und füllte den Krug bis an den Rand. Dann blickte er auf und fragte: "Was können wir Wichtiges aus diesem Experiment lernen?"

Einer der Schüler dachte an das Thema und antwortete: "Daraus lernen wir, dass selbst wenn wir denken, dass unser Zeitplan schon bis zum Rand voll ist, wenn wir es wirklich wollen, immer noch einen Termin oder andere Dinge einschieben können."

"Nein", sagte der Professer, "darum geht es nicht. Was wir wirklich aus diesem Experiment lernen können ist folgendes: Wenn man die grossen Kieselsteine nicht als erstes in den Krug legt, werden sie später niemals alle hineinpassen."

Es folgte ein Moment des Schweigens. Jedem wurde bewusst wie sehr der Professor recht hatte. Dann fragte er: "Was sind im Leben die grossen Kieselsteine? Eure Gesundheit, eure Familie, eure Freunde, die Verwirklichung eurer Träume, das zu tun was euch Spass macht, dazulernen, eine Sache verteidigen, Entspannung, sich Zeit nehmen oder etwas ganz anderes?"

Wirklich wichtig ist, dass man die grossen Kieselsteine in seinem Leben an die erste Stelle setzt. Wenn nicht, läuft man Gefahr es nicht zu meistern, sein Leben. Wenn man zuallererst auf Kleinigkeiten achtet, den Kies, den Sand, verbringt man sein Leben mit Kleinigkeiten und hat nicht mehr genug Zeit für die wichtigen Dinge. Deshalb vergesst nicht euch selbst die Frage zu stellen :

Was sind die grossen Kieselsteine im Leben?

21. Juni 2008

Budo in Eisenstadt

Was gibt es schöneres als einen sonnigen Samstagnachmittag mit guten Freunden zu verbringen? Für mich zählen dazu meine Freunde aus dem Budo, der Kunst des Kampfes.

Gesagt getan: Mein Budolehrer Jürgen Wutschek (Bujinkan Budo Taijutsu) wurde vom Leiter der Krav Maga Gruppe in Eisenstadt, Helmut Schallek, gebeten, ein 3stündiges Seminar zu halten. Was für eine Gelegenheit mich hier anzuschließen.

Bei 30 Grad trainierten wir zu Mittag drei Stunden in der Hauptstadt Burgenlands, die mit rund 12.000 Einwohner die wohl kleinste Bundesländerzentrale in Österreich ist. Klein, aber fein, weil ruhig. Erwähnenswert in Eisenstadt ist das Erlebnisrestaurant Naglreiter. Zum Essen wird dort herrliches selbstgemachtes Gebäck angeboten.

Thema des Trainings war Ju Tai Jutsu. Ju bedeutet soviel wie Nachgiebigkeit und Flexibilität, Tai Körper und Jutsu Kunst oder Können. Dieser japanische Begriff kann übersetzt werden mit "Die sanfte Kunst der Körperenergie". Die zentrale Idee hinter diesem Konzept ist durch Flexibilität und Nachgiebigkeit die Kraft des Gegners für sich selbst nutzbar zu machen. In einer Kampfsituationen wird es dadurch möglich, dass ein schwächerer Mensch einen körperlich überlegenen Gegner besiegen kann.

In alltäglichen Situationen bedeutet dieses Konzept für mich, dass durch Flexibilität in den eigenen Denkstrukturen eine Offenheit anderen Menschen gegenüber möglich wird, die schöne Qualitäten in zwischenmenschlichen Beziehungen wie Zuhören, Interesse oder Neugier fördert. Dadurch werden manchmal beidseitig bessere Ergebnisse erzielt, beispielsweise in Verhandlungssituationen, als durch das Gesetz des Dschungels, dem Gesetz des Stärkeren.

20. Juni 2008

Language

"Language is not merely a device for communicating ideas about the world, but rather a tool for bringing the world into existence in the first place. Reality is not simply 'experienced' or 'reflected' in language, but is actually produced by language."

(Source: Ross Heaven (2006): The Spiritual Practices of the Ninja; Mastering the four gates to freedom, p. 70)

Das Gelassenheitsgebet

"Gott gebe mir die Gelassenheit,
die Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut die Dinge zu ändern,
die ich ändern kann,
und die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden."

(Quelle: Friedrich Christoph Oettinger 1702-1782)